Fachartikel von Dentalhygienikerin Birgit Stalla
Erschienen in der Ausgabe 01/2022 im Magazin „Die Assistentin“, dem Fachjournal für PAss und ZAss.
In nur 15 Minuten das Sonnenhormon bestimmen
Als Dentalhygienikerin mit Leib und Seele frage ich mich manchmal:
„Warum ist der Behandlungserfolg bei manchen Patienten trotz guter häuslicher Mundhygiene und regelmäßiger professioneller Betreuung nicht so optimal?“
Mir schien ein kleiner Baustein zu fehlen und so bin ich auf Vitamin D gestoßen.
Vitamin D ist nichts neues, schon seit vielen Jahren weiß man um die Bedeutung für Knochen und Zähne. Heute gibt es die Möglichkeit mit Chair-Side-Tests in nur 15 Minuten den Vitamin D-Spiegel direkt in der Praxis zu testen. Allgemein glaubt man ja, dass Vitamine mit der Nahrung zugeführt werden müssen um damit ausreichend versorgt zu sein. Deshalb werden die Vitamine auch eher der Ernährungswissenschaft zugeordnet, nicht der Medizin. Auch Vitamin D wurde zunächst so eingestuft, dass man ausreichend Vitamin D über die Nahrung zuführen kann. Über die Ernährung, z. Bsp. Seefisch, frische Eier, Avocados, Champignons können wir lediglich 10 – 20 % unseres Vitamin D-Bedarfs decken. 80 % des Bedarfs produziert unser Körper mithilfe von UV-B-Strahlen selbst. Deshalb wird Vitamin D auch den Hormonen zugeschrieben, weil unser Körper selbst in der Lage ist es zu bilden. Heute weiß man, dass es sich bei diesem Vitamin in Wirklichkeit um ein sogenanntes Steroidhormon handelt. Das Hormon Vitamin D ist nämlich ebenso wichtig wie unsere Sexualhormone, die unser gesamtes Leben und deren Fortbestehen sichern. Es steuert die Regulation und den Zugriff auf unsere Genaktivitiät und haben wir zu wenig davon dann werden wichtige Gene ganz einfach vermindert aktiviert.
Da wir dieses Vitamin-Hormon mithilfe der Sonne selbst herstellen könnten, sind in den Wintermonaten unsere Vitamin D-Speicher leer und die Symptome, wie grippale Infekte etc. einfach nichtmehr zu übersehen denn die Sonne haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Ab Oktober ist in unseren Breitengraden eine Vitamin D-Produktion über die Haut nicht mehr möglich. Das heißt, im Februar sind unsere Vitamin D-Speicher leer und dann beginnen die Krankheiten zu sprießen. Denn nur in den Monaten April bis September reicht die Sonnenintensität aus damit wir Vitamin D bilden können. In diesen Frühling-Sommer-Monaten müssen wir uns täglich in der Mittagszeit etwa 15 Minuten ein Sonnenbad gönnen. Möglichst wenig bekleidet und ohne starkes Sonnenschutzmittel, da diese die Produktion verhindern. Also beginnen Sie schon einmal im April einen körpereigenen Sonnenschutz aufzubauen. Der so gebildete Vorrat reicht dann längstens bis November und dann fängt schon das Immunsystem an, das Sie aufgebaut haben, nicht mehr richtig zu arbeiten. Denn das Vitamin D ist absolut notwendig damit das Immunsystem richtig aktiv wird.
Was hat Vitamin D mit unseren Erkrankungen zu tun, um die wir uns täglich in der Zahnarztpraxis kümmern?
Parodontitis wird als chronisch bakterielle Entzündung definiert, die Weich und knöchernes Hartgewebe angreift und so letztendlich zum Attachmentverlust führt. So konnte in Longitudinalstudien festgestellt werden, dass ein niedriger Vitamin D-Spiegel im Körper mit einer erhöhten Rate an Zahnfleischentzündungen und mit dem Verlust von parodontalem Gewebe vergesellschaftet ist. Eine ausreichende Immunfunktion und Knochenbildungsfähigkeit ist selbstverständlich auch mit dem Erfolg einer Parodontitistherapie assoziiert. Analog konnte ein solcher Zusammenhang zwischen Vitamin D-Zufuhr und Gewinn von Attachment und Reduktion der Sondierungstiefen bestätigt werden. Die Beziehung zwischen Vitamin D-Gabe und Parodontitis wird vor allem auf den antiinflammatorischen Effekt von Vitamin D zurückgeführt. Vitamin D ist der Steuermann der Autoimmuntoleranz. Es sorgt für ein gesundes Gleichgewicht und reduziert somit die überschießende Immunantwort bei einer Parodontitis durch Hemmung der Osteoklasten und Aktivierung der Osteoblasten. Dadurch haben wir eine antientzündliche Wirkung auf das Zahnfleisch und den Zahnhalteapparat. Ein direkter Effekt des Sonnenlichts auf die Verringerung des Risikos parodontaler Erkrankungen wurde in einer norwegischen Studie demonstriert, bei der eine enge Beziehung zwischen Zahnverlust und dem Breitengrad gefunden wurde. So verloren nur 11 Prozent dem im Süden lebenden Menschen Zähne, 43 Prozent waren es in der Zentralregion und 66 Prozent im Norden Norwegens. Vitamin D3-Cholecalciferol, spielt neben der antiinflammatorischen Wirkung, eine wesentliche Rolle in der Resorption von Calcium und Phosphat aus dem Darm.
Was bedeutet Vitamin D Mangel für unseren Körper?
Ein Vitamin D Mangel führt nach und nach zum Herunterfahren vieler wichtiger Funktionen des voll aktiven Körpers. Ein zu geringer Vitamin-D-Spiegel senkt die Leistungsfähigkeit, die Stresstoleranz und Widerstandskraft und hat negative Auswirkungen auf unsere Psyche.
Wie testen wir unsere Patienten?
In Zusammenarbeit mit den Zahnärzten führe ich als Dentalhygienikerin und zertifizierter Vitamin D-Coach und Berater die Tests an unseren Patienten durch. Getestet wird das Speicheroder Transport-Vitamin-D (Calcidiol).
Dafür braucht es nur einen Tropfen Kapillar-Blut aus dem Finger, das tut überhaupt nicht weh. Zusätzlich benötigen wir einen VHC Reader, das ist ein mobiles handliches Messgerät. Weiterhin braucht es die dazu gehörigen
Testkitts und Verbrauchsmaterialien, wie Lanzette und Alkoholtupfer. Nach nur 15 Minuten haben wir das Testergebnis. Anhand des Testergebnisses können wir direkt erkennen ob aktuell ein Vitamin D-Mangel vorliegt.
Über den Tellerrand hinaus schauen lohnt sich!
Unsere Patienten strahlen, weil sie mehr Energie haben. Endlich stellt sich der gewünschte Behandlungserfolg ein. Die Parodontitis ist endlich inaktiv und somit keine sichtbaren Entzündungen mehr. Das Implantat ist gut eingewachsen und unser kleiner MIH Patient hat weniger empfindliche Zähne. Unsere Testungen zeigen mir täglich, wie wichtig sie sind. Es besteht ein sehr großer Handlungsbedarf, da die meisten Patienten unterversorgt sind und einige sogar im grenzwertig niedrigen Bereich. Vitamin D ist bestimmt kein Wundermittel. Es ist ein Instrument im gesamten Orchester der Mikronährstoffe. Wenn ein Instrument fehlt, kann das aber musikalisch (oder eben gesundheitlich) schon was ausmachen. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mein Wissen und meine Erfahrung aus der Praxis weiterzugeben, an die Kolleginnen, die mehr wissen möchten.
Über meine VitaminDental-Akademie möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie die Vitamin D-Testung in den Praxisalltag integrieren könnt. Vom Wissen über Vitamin D, die Testung, Auswertung, Empfehlungen und Abrechnung. Ich biete Webinare und Präzenzkurse an. In Kooperation mit der LCHF Deutschland Akademie biete ich die Ausbildung zum zertifizierten VitaminDental-Couch, unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor Dr. Spitz, an.